Der Club der verdummbeutelten Dichter

Neulich besuchte mich eine Bekannte, sie brachte ein Buch mit. Ca. 995 Seiten Gedichte.
»Schlag mal Seite 503 auf«, sagte sie hocherfeut.
»Oh, ein Gedicht von dir«, tat ich beeindruckt.
»Ja, zwischen Goethe und Schiller.«
»Na und?«
»Wie na und? Weißt du nicht, wer die sind?«
»Für wen ist das jetzt die größere Ehre?«
»Bist du neidisch?«

Ich drehte das Buch um. 99.95 Euro. Ein stolzer Preis. Sie hatte sich gleich drei bestellt, schließlich war sie mit einem Gedicht vertreten, wie ungefähr 999 andere, darunter auch Goethe und Schiller, aber auch Lieschen Müller und Monika Schmidt, mit dt. Die haben sicher auch jeweils 1 bis 3 Bücher bestellt, was für den Verlag hieß, dass es bereits Gewinn abwarf. Das erklärte ich ihr auch.

»Das ist eine Anthologie, da kommt nicht jeder rein.«
»Wenn die jedes mal 1000 Gedichte brauchen, um eine weitere zu verlegen?«
»Du bist doch neidisch.«
»Vielleicht schicke ich denen auch ein Gedicht!«
»Und meinst, es wird gedruckt?«
»Da wette ich drauf. Wie die darauf, dass die Dichter und Dichterinnen, deren Werke gedruckt wurden, eins dieser Bücher kaufen. Was ein ziemlicher Gewinn ist, selbst da Goethe und Schiller nicht mehr zu den Käufern gehören werden.«
»Ich bin trotzdem stolz.«
»Ja, das sollst du auch. Entweder darauf, zwischen berühmten Dichtern aufzutauchen, oder darauf, die Blindheit zu besitzen, dass du verarscht wurdest. Aber trotzdem: Herzlichen Glückwunsch.«

»Und dir hätte ich fast ein Buch geschenkt.«
Vergleich: Das ist ungefähr so als würde man eine CD rausbringen mit Elvis Presley und den »Stars« aus DSDS. Wer ist da begeisterter?

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