Alles umsonst

Jahrelang haben Larissa G. und ihr Mann Paul gegen den Missbrauch Schutzbefohlener gekämpft. Sie wurden bedroht, erpresst, terrorisiert. Einige Anschläge wurden auf sie ausgeübt. Mit viel Glück kamen sie und ihre Helfer immer mit dem Leben davon. Die Wunden wurden Narben. Jahrelang haben sie Müttern geholfen sich aus dem Kreislauf von Missbrauch und Gewalt in der Ehe zu befreien, sorgten für sichere Unterkünfte, halfen Prozesse gegen die Täter vorzubereiten und ein neues Leben zu beginnen. Beide legten sich mit Organisationen an, die Kinder entführen, um sie zu verkaufen. Mit einem Schlag holte Larissa das Schicksal ein. Sie fand ihren Mann tot in der eigenen Wohnung.

»Die haben ihn eiskalt umgebracht«, sagte sie später zu ihrer Freundin.
»Pass auf, dass du nicht wahnsinnig wirst.«
»Nicht mal eine Autopsie wollten sie machen. Verstehst du nicht?«
»Doch, aber was hätte dir das gebracht? Dass sie dich auch noch töten.«
»Sollen sie doch, ich habe alles verloren. Wofür lebe ich jetzt noch? Mein Mann ist tot. Die Konten haben sie letztes Jahr schon eingefroren, damit wir nicht mehr agieren können.«
»Brauchst du Geld?«
»Ich brauche kein Geld, ich brauche meinen Mann.«

Nach einem Jahr hing Larissa immer noch den Gedanken nach, sah das Bild ihres Mannes, wie sie ihn aufgefunden hatte. In mancher Nacht spürte sie, wie ihr die toten Augen ihres Geliebten folgten, dann erschrak sie, zog sich die Decke über den Kopf und weinte ins Kissen.
»Alles umsonst«, schrieb sie auf einen Zettel, »all die Jahre, die wir geholfen haben, haben uns unsere Zweisamkeit gekostet. Aber unter dem Deckmantel von Politik und Kirche bleiben Einzelne nicht als Märtyrer, sondern als Verräter zurück.«

Ihre Freundin faltete die Zeilen zusammen und legte sie zu ihr ins Grab.

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