Kaffeefahrt & Löffelliste

Endlich haben wir ein Wort für unser Vorhaben gefunden. Es kam uns heute, in der Küche, als wir mit den Köpfen über dem Topf mit dem Gulasch hingen, der stark nach Wild roch und auch so schmeckte. Köstlich. Wir haben bei dem Genuss gestöhnt, wie die Weltmeister. Er hat ihn zubereitet, weil er kochen kann und er bekommt keinen Namen, weil ›er‹ gut klingt. Kaffeefahrt bedeutet: Ich erstelle eine Route, die wir abfahren. Es geht quer durch Deutschland. All die Menschen, die mich kennenlernen möchten und die ich gerne kennenlernen möchte – Small Talk und Kaffee – fahren wir besuchen. Einige Ziele stehen schon fest.

Da ich fest entschlossen bin noch achtzehn plus eins Monate zu leben, wegen der Sterbeversicherung, könnte ich noch fast überall ankommen. Abenteuerurlaub, zumindest für mich. Jetzt, am Abend, da dachte ich, was ich alles einpacken muss, neben all den Medikamenten, meiner Uschi (Rollator) und eventuell dem Sauerstoffgerät, falls meine Lunge es nicht mehr ohne schafft. Wahrscheinlich ein paar Klamotten. Ich werde eine Liste anlegen, die nichts mit einem Löffel zutun hat. Ein Vorhaben ist gut, sich daran festbeißen nicht. Ich träume, auch wenn mir Wunder wie Kerzen ausgehen.

Wieder atme ich schwer. Ich fühle einen unsagbaren Druck auf der Brust. Meine Worte verlieren an Kraft, ich werde sie nur wieder löschen.
»Nein«, schüttelt meine Autorin mit dem Kopf, »das lasse ich nicht zu.«
»Aber«, stottere ich, »aber ...«
»Keine Widerrede«, erwidert sie.
Ach, es ist nicht leicht über letzte Vorhaben und Zeit zu resümieren, wenn ich eigentlich das Leben meine, wenn ich schreie, dass ich kein Mitleid will, nur Zuhörer. Plötzlich stellt sich ein Gedanke wie eine Wand auf: »Lass sie reden.«
»Wen denn?«
Was bin ich wieder zu sehr ich, dass ich nicht sein will. Gott, oh Gott, ich lass dich besser aus dem Spiel. Die Tragik zieht den Hut, dabei war sie gar nicht gemeint.

»Vielleicht solltest du deine Krebserfahrung nur für Krebskranke schreiben«, mokierte ich mich.
»So?«, fragte sie, die Schreiberin, »warum?«
»Damit sich die ›Gesunden‹ nicht der eigenen Betroffenheit gegenübergestellt sehen, was ja zwingend erforderlich ist«, erwiderte ich zynisch.
»Du bist keine Ausnahme, Krebskranke gibt es in fast jeder Familie«, sagte sie übertrieben ironisch.
»Dann ist ja gut«, seufzte ich betroffen.

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